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Kunst Kultur Kommunikation

Die Zukunft der Wissensvermittlung

Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter Ars Electroncia Center


"Nicht nur augenscheinlich, sondern auch handgreiflich, nicht mehr viereckig, sondern interaktiv wie das Leben. Eine Kombination von Computerspiel und körperlicher Erfahrung."









Abbildung: City Puzzle - Ars Electronica Futurelab (Foto: Ars Electronica Center)

Um über Strategien der Vermittlung von Wissenschaft zu sprechen, wäre erstmal die Klärung der Zielgruppe notwendig (vor allem hinsichtlich der Altersgruppen), ungeachtet dessen steht der massive Einfluss im Raum, den moderne Informationstechnologien auf die Vermittlung im Allgemeinen haben. Das Internet, und das gilt wiederum für alle Bereiche der Wissensvermittlung, setzt neue Standards, Anforderungen und Erwartungshaltungen, was die Zugänglichkeit und Verfügbarkeit von Wissen anbelangt. Standards, die weit über das Netz selbst hinausreichen; und so bleiben weder Schulen noch Museen davon verschont. Generationen, die mit Computergames und WWW und somit mit Telepräsenz, Interaktivität, Hypertextualität ganz selbstverständlich aufwachsen, stellen die traditionellen Horte von Wissen und Wissenschaft, wie zum Beispiel Museen, vor ganz neue Herausforderungen. Keine Angst, sie werden sie nicht abschaffen; ganz im Gegenteil: Science Center verzeichnen in aller Welt einen riesigen Boom. Nicht nur auf der Wunschliste von Politikern, die ihre Regionen auf Vordermann bringen wollen, sondern auch bei den Besuchern. Das darf aber die "alten" Museen nicht allzu sehr in Sicherheit wiegen. Bloßes Vertrauen in die auratische Wirkung ihrer Objekte und Hallen könnte nur allzu schnell zu einem bösen Erwachen führen. Denn so selbstverständlich und alltäglich wie für die Information-on-your-fingertips-Generation das Internet geworden ist, genauso selbstverständlich wird sie die Qualitäten des interaktiven und multimedialen Umgangs mit Information und Wissen auch von Museen erwarten und sich mit Gähnen von denen abwenden, die auf diesem Feld nichts anzubieten wissen.


Abschied von der Bildschirm-Fixierung

Abbildung: Humphrey II (Foto: Ars Electronica Center)










Dass viele Museumspädagogen dabei noch immer an Touchscreens, die in den Ausstellungshallen herumstehen, denken, zeigt diesen Generation-Gap nur umso eindringlicher. Auch wenn der Content noch so gut recherchiert und grafisch aufbereitet sein mag, wenn das Engagement des Besuchers (die Interaktivität des Users) auf das bloße Vorwärts- und Rückwärtsklicken beschränkt bleibt, ist das Museum definitiv der falsche Ort dafür. Wie also kann man die Qualitäten eines realen (guten alten) Museums mit den medial vermittelten Informationsprozessen verbinden? Was sind die besonderen Qualitäten? Die eindrucksvolle Architektur eines modernen Museumsbaus oder die direkte Begegnung mit den großen Apparaten und Maschinen eines technischen Museums sind Stimulanzen, die es leicht mit den kläglichen 17"- oder 19"-Bildschirmen unserer Computer aufnehmen können. Allerdings nur kurz, denn kommt es nicht sehr rasch auch zur "Hands On Experience", ist es mit der Aufmerksamkeitsspanne und Lernkurve nicht weit her. Doch auch die Medien-Fraktion muss ihre Bildschirm-Fixierung hinter sich lassen, denn gerade im Ambiente eines Museums ist kaum etwas so uninteressant wie ein Bildschirm, auf dem man sich durch "Hintergrundinformation" klicken kann. Wenn es um komplexe Wissenschaftsthemen geht, um neue Technologien und komplexe Wechselwirkungen von Fortschritt und Ethik, ist der Siegeszug der interaktiven Ausstellungen nicht mehr aufzuhalten. Sie vereinen die Attraktivität von Computergames und Online-Kommunikation mit der "Überzeugungskraft" der realen Objekte und vor allem der starken Wirkung von körperlichem und multisensorischem Engagement. Wahrnehmen, ausprobieren, berühren, begreifen, spielerisch erfahren: Das sind die Schlagwörter für das zweite große Standbein der modernen, informationstechnisch gestützten Wissen- [schaft]svermittlung - neben den Online-Datenbanken, Blogs und Wikis etc. Das explorative, spielerische Erproben und Erobern wird durch die interaktiven Vermittlungstechnologien aus dem vermeintlich kindlichen Eck befreit und emanzipiert sich so zu einer Lernumgebung mit erstaunlich hohem Wirkungsgrad. Dazu gehören Computerspiele genauso wie interaktive Visualisierungen sozialer Netzwerkanalysen, Informationmaps und semantische Webs.









Abbildung: Move - Andrew Hieronymi (Foto: Ars Electronica Center)


Wegweisungen durch die Kunst

Der Umgang mit Wissen wird zum Prozess seiner Aneignung, wenn es etwa dem Technorama im schweizerischen Winterthur mit seiner Sonderausstellung "Der atomare Zoo" gelingt, die wahrlich komplizierte Materie der Kernphysik in packender und spielerischer Form aufzubereiten. Das Technorama, das man guten Gewissens als das wohl überzeugendste und konsequenteste Science Center in Europa bezeichnen kann, hatte immerhin 250.000 Besucher im letzten Jahr. Und eigentlich folgt Remo Besio, der charismatische Direktor des Technorama, dabei nur in konsequenter Weise den Überlegungen Frank Oppenheimers zur Gründung des Exploratoriums in San Francisco: "Many people who talk about the discovery method of teaching are really talking about arranging a lesson or an experiment so that students discover what they are supposed to discover. That is not an exploration ... It is, therefore, more important than ever that museums assume the responsibility for providing the opportunities for exploration." (Frank Oppenheimer, "Exploration and Culture", Museum News, Nov-Dec, 1982, 39-45).

Abbildung: WikiMap Linz - Ars Electronica Futurelab (Foto: Ars Electronica Center)









Der offene explorative Zu- und Umgang mit den angebotenen Themen und Informationen, die Möglichkeit selbst Hand anzulegen und im Ausprobieren die wissenschaftlichen Phänomene zu begreifen, das war bereits das erfolgreiche Credo von Oppenheimer, dessen 1969 gegründetes Exploratorium in SF eine neue Schule von Science Centers begründete und weltweit vielfach nachgeahmt wurde. Auf dieses Prinzip bauten wir auch das Ars Electronica Center in Linz auf, nur mit dem Unterschied, das wir 1996 damit weltweit zum ersten Mal zur Gänze auf den Einsatz digitaler, interaktiver Technologien setzten und damit gleichzeitig ein Fenster in die Zukunft der digitalen Technologien öffneten. In eine Zukunft, in der die omnipotente Informationsmaschine Computer nicht mehr als graue Kiste am Schreibtisch erscheint, sondern, alle Sinne des Menschen ansprechend, in den Gegenständen und Abläufen des alltäglichen Lebens verschwindet. Den Weg dazu wiesen viele Künstler, die die Möglichkeiten der Interaktivität ausloteten und Gestaltungen dafür schufen, intuitive und emotionale Kommunikationskanäle zum Benutzer zu öffnen.


Museum der Zukunft - das Ars Electronica Center

Seit 1996 prägt das Ars Electronica Center das Urfahraner Stadtbild. Als sichtbares Linzer Bekenntnis zu Innovation und Zukunftsorientierung, wird es diesem Anspruch auch gerecht. Weder die Ausstellungsinhalte noch die Vermittlungsformen des "Museums der Zukunft" folgen herkömmlichen Mustern. Die Besucher erwartet eine unterhaltsame wie informative Spurensuche rund um die sichtbaren und unsichtbaren (Aus-)Wirkungen neuer Kommunikationstechnologien. Das Museum der Zukunft richtet sich an ein breites Publikum - an Jung und Alt, Experten und Laien. Ausnahmslos alle Installationen laden zum spielerischen Benutzen und aktiven Aneignen von Wissen ein:









Abbildung: Drawn - Zachary Lieberman (Foto: Ars Electonica Center)

Zachary Liebermans Drawn haucht Bildern Leben ein. Mit Tinte, Pinsel und Papier geht es ans Werk. Dann ein kurzer Knopfdruck und die an der Decke montierte Kamera nimmt das gemalte Bild auf. Per Computer wird es zur Animation. Durch bloße Handbewegungen kann der/die Maler sein/ihr Werk jetzt neu arrangieren. Formen lösen sich auf und setzen sich wieder zusammen - das Bild interagiert mit seinem Schöpfer. Auch bei Move von Andrew Hieronymi ist alles in Bewegung. Kaum betritt man die Spielfläche, fällt der Startschuss zu einem Katz und Maus Spiel zwischen Mensch und Computer. Es gilt dem roten Punkt auszuweichen, der auf dem Boden herumschwirrt und den Spieler zu fangen versucht. Körpereinsatz und Geschicklichkeit sind gleichermaßen gefordert.

Ein Stadtplan kann mehr, als bloß Überblick über Straßen und Gebäude geben. Er kann das Leben der Menschen widerspiegeln, die durch diese Straßen spazieren und in diesen Gebäuden wohnen. Er kann Geschichten erzählen. Die vom Ars Electronica Futurelab entwickelte WikiMap Linz ist genau so ein Stadtplan. Auf www.hotspotlinz.at kann jede/r mitgestalten und Häuser, Straßen und Plätze mit Texten, Bildern oder Klängen versehen. Eine Landkarte aus Informationen, Impressionen und Tönen entsteht. Kein Stadtplan mehr, sondern interaktiver Wissensraum.

Wie ein Vogel durch die Lüfte fliegen, sich wie ein Fisch im Wasser fühlen, sagenumwobene Städte und bizarre Traumlandschaften auskundschaften - virtuelle Welten eröffnen ungeahnte Möglichkeiten. Per Computer wird hier alles "Realität". Die Grenze zwischen Fantasie und Wirklichkeit verschwimmt ... So scheint die Schwerkraft nicht mehr zu wirken, wenn man mit Humphrey II über den Dächern von Linz schwebt. Um kurz darauf schon im Sturzflug auf die Donau zu zurasen und in ihre Untiefen hinabzutauchen. Vorbei an versunkenen Städten, auf der Suche nach Schätzen, die bis heute darauf warten, aufgespürt zu werden.

Abbildung: Cave (Foto: Ars Electonica Center)










Ausgangspunkt weiterer Entdeckungsreisen ist der CAVE. Boden und Seitenwände dieses 3 mal 3 mal 3 Meter großen Würfels bilden eine einzige große Projektionsfläche. Mitten drinnen spaziert man durch dreidimensionale Welten, die den eigenen Träumen entsprungen scheinen. Nicht nur Künstler haben virtuelle Welten für sich entdeckt. Auch Wirtschaft und Wissenschaft machen sich ihre Anwendungsmöglichkeiten längst zunutze. Die Automobilindustrie, wo Design und Sicherheit neuer Modelle an virtuellen Prototypen studiert werden - lang bevor die Produktion anläuft. Oder die Architektur, wo Gebäude schon vor ihrer Errichtung virtuell begangenen werden. So konnten der neue Linzer Hauptbahnhof, das Lentos Kunstmuseum und die solarCity allesamt vor Baubeginn im CAVE des Ars Electronica Centers besichtigt werden.


Gullivers Welt
Interface und Interaktion in der Laborsituation und im Publikumsbetrieb









Abbildung: Gullivers Welt - Ars Electronica Futurelab (Foto: Ars Electronica Center)

Als "Multi-User-Mixed-Reality-System" repräsentiert die vom Ars Electronica Futurelab konzipierte Gullivers Welt eine neuartige, mehrschichtige und interaktive Edutainmentplattform. Von Anfang an als experimentelle Plattform konzipiert, werden hier neue Interfaces und Interaktionsansätze in der Laborsituation wie auch im Publikumsbetrieb erprobt. Das Projekt ist gleichzeitig Prototyp einer Ausstellungsstation mit Edutainment-Schwerpunkt sowie eines erweiterbaren Mixed-Reality-Environments für technologische und medienkünstlerische Innovationen. Nicht nur die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt verwischen, verschmelzen miteinander, sondern auch die Bereiche Kultur, Technologie und Soziales. Die Anwendung kommt ohne Maus und Tastatur aus. User sind Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen - jede/r kann hier eine Welt entdecken. Und selbst gestalten. Wie bei "Alice im Wunderland" sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.

Abbildung: Gullivers Welt - Ars Electronica Futurelab (Foto: Ars Electonica Center)









Mit dem "Landschaftsmaler", der an einen klassischen Globus erinnert, kann der Besucher Berge, Wiesen und Täler frei auf einer Weltkugel positionieren. An jedes dieser landschaftlichen Objekte sind individuelle Eigenschaften gebunden, die sich direkt auf das Verhalten der Figuren von "Gullivers Welt" auswirken.

Bestehende Charaktere kann jeder User nach Belieben verändern und ihnen bestimmte Eigenschaften zuweisen. Und wer seine ganz speziellen Vorstellungen von einer Figur hat, dem stehen auf dem "Modelliertisch" ein 3D-Scanner und Knetmasse zur Verfügung. Über Form und Farbe erhalten die Charaktere bestimmte Eigenschaften und interagieren auf die verschiedenste Weise mit den anderen Figuren in Gullivers Welt.

In der Greenbox werden von Besuchern Videosequenzen aufgenommen, die dann verkleinert auf der Spielebene wieder zu finden sind. Außerdem kann jeder über eine lebensgroße stereoskopische Projektion die Position eines Avatars einnehmen und sich in personam auf die Spielebene begeben. Ein Computervision-System erfasst und analysiert die Bewegungen und das Verhalten der Benutzer und überträgt es in Echtzeit auf den Avatar, der somit direkt in das Spielgeschehen eingreifen kann.









Abbildung: Scooter - Ars Electronica Futurelab (Foto: Ars Electronica Center)

Mit dem "Scooter" können die Besucher eine individuelle Erkundungstour durch Gullivers Welt unternehmen. Die gewünschte Richtung lässt sich mit der Lenkstange vorgeben. Die Übertragung der Vorwärtsbewegung erfolgt über eine Walze.

März 2007
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