Alexander Sturn und Bruno Winkler, Montafoner Heimatmuseum
Sich sammeln. So der Titel des spannenden und prämierten Projektes, zu dem drei Schülergruppen aus dem Montafon eingeladen waren. Gruppen der Hauptschule Schruns Dorf und der Polytechnischen Schule setzten sich im Rahmen dieses österreichweiten Bildungsprojekts mit Alltagskultur auseinander. Das von einer Fachjury in Wien ausgezeichnete Ergebnis ist eine erstaunliche Homepage zum Thema "Sammeln".
Der Heimatschutzverein Montafon beschäftigt sich an drei Standorten mit Alltagskultur zu den Themen Heimat, Tourismus und Bergbau. Es lag also nahe, die historische Alltagskultur, wie sie in den Museen vermittelt wird, mit der Alltagskultur von Schülern und Schülerinnen thematisch zu verknüpfen und Schulen im Einzugsbereich der Montafoner Museen für das Projekt zu gewinnen.
Aufgrund wirtschaftlicher Notsituationen waren viele Montafoner früher gezwungen, ihren Lebensunterhalt mit Wanderarbeit zu bestreiten, die oft weit über die Grenzen hinaus führte. Erst der aufblühende Tourismus gegen Ende des 19. Jahrhunderts brachte spärlichen Wohlstand in die Talschaft. Heute leben viele Montafoner Familien direkt oder indirekt von dieser Branche. Im Tal gibt es drei Hauptschulen - davon eine Ski-Hauptschule - und einen Polytechnischen Lehrgang. Das Pendeln zu den Schulen ist für viele Schüler Alltag.
Screenshot der Homepage Sich sammeln - Startseite
(Abbildung: MuseumOnline)
Die ausgewählten bzw. angefragten Schülergruppen sollten sich mit der Alltagskultur früherer Generationen auseinandersetzen und diese zum jeweils eigenen Alltag in Beziehung setzen. Neben dem Kennenlernen der Montafoner Museumslandschaft sollten die Schüler/innen Aufgaben und Zielsetzungen eines Museums (forschen, sammeln, vermitteln) erörtern und im eigenen Projekt umsetzen. Die Zusammenarbeit zwischen der Ski-Hauptschule Schruns-Tschagguns und dem Polytechnischen Lehrgang Außermontafon sollte die Vernetzung im Tal fördern und ein gemeinsames Produkt anstreben. Und das Projektprodukt sollte nichts weniger sein, als eine eigene Website. Einerseits sollte die gruppeninterne Kommunikation mit digitalen Medien erprobt werden. Darüber hinaus galt es, zugunsten einer Präsentation der Ergebnisse via Internet die medienspezifischen Möglichkeiten zu erproben und zu nutzen.
Anfang November haben wir in der Schülerrunde begonnen, mittels Brainstorming die verschiedenen Facetten des Begriffs "Alltag" zu beleuchten. Daraus entstand ein Bild, was alles zum Alltag gehört. Dieses Bild haben wir dann mit gängigen Definitionen verglichen. Die SchülerInnen haben daraufhin den Auftrag erhalten, sich in nächster Zeit über den eigenen Alltag Gedanken zu machen und wichtige Gegenstände zu nennen, die in ihrem Alltag auftauchen und für einen Historiker in der Zukunft wichtig sein könnten.
Wir haben uns dann auf folgende Gegenstände konzentriert. Im Bereich Sport: Ski, Schistöcke und Schischuhe, Trinkflasche, Rucksack, Rodel und Schlüssel. Im Bereich Tourismus haben wir einen Bereich ausgesucht, der uns täglich tangiert: die Werbung!
Um das Thema einzugrenzen, betrachteten wir die Entwicklung der Prospektwerbung und des Infomaterials über das Montafon, von den ersten künstlerischen Plakaten bis zur Gegenwart; wobei in erster Linie die historische Entwicklung im Auge behalten wurde.
In der zweiten Dezemberwoche richteten wir unser Augenmerk auf den anstehenden Archiv- und Museumsbesuch. Kurze Infos aus dem Internet über "Archiv" wurden bearbeitet, ausstehende Fragen an den Archivführer notiert. Dann haben wir uns Archiv und Museum in Schruns zeigen und uns in die Erschließungstechniken einführen lassen. Wir haben hier selbst verschiedene Informationen und Quellen gesucht, gesammelt, sowie Fotos bestimmter Ausstellungsstücke erstellt.
Screenshot des Videos: Trainingslauf Mathias Graf
(Abbildung: MuseumOnline)
In einem nächsten Schritt thematisierten wir in den Unterrichtsfächern Geschichte und Geographie den Tourismus im Montafon. Unsere SchülerInnen interviewten mit der Videokamera ehemalige TrainerInnen, ErzieherInnen und SchülerInnen der Ski-Hauptschule aus den 1980er Jahren. Dabei erfuhren sie wesentliche und teils erstaunliche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu ihrem Alltag heute.
Ebenfalls mit Video wurde ein Besuch im Schuhhaus Sander erfasst, bei dem der heutige Schischuhexperte des familiären Traditionsbetriebs wichtige Informationen gab und Anschauungsmaterial zum Thema Skischuhe im Allgemeinen und zu dessen Geschichte im besonderen bereitstellte. (Siehe Abbildung)
Anschließend haben die Schüler begonnen, Infos aus dem Internet zu suchen, gesammelte Texte zu den verschiedenen Themen zu bearbeiten, und Aufsätze zu ihrem Alltag zu erstellen.
Die letzte Exkursion führte in die Skiausstellung in der "Alten Gme", wo Helmut Marent, Präsident des Schiclubs Montafon, historische und legendäre Sportgeräte präsentierte und wertvolle historische Informationen dazu lieferte. Gleich am Tag danach war eigentlich der Ausflug zur Lindauer Hütte geplant: eine Nachtrodelpartie, welche uns als Beispiel zum Ausbruch aus dem Alltag dienen sollte. Ein Lawinenabgang verhinderte dies leider, sodass wir stattdessen das "Ersatzprogramm" fotografisch erfasst haben. Eine "normale" Rodelpartie von Latschau nach Vandans, und eine Disco am Abend zum Ausklang.
In diese Phase war auch ein Moodle-Kurs eingebaut. Dadurch sollte eine Direktkommunikation zwischen den Projektgruppen ermöglicht und erleichtert werden. Dieses Hilfsmittel konnte auch von den das Projekt koordinierenden Lehrpersonen erlernt und in Anspruch genommen werden. Nicht nur in dieser Phase machten Schüler die ernüchternde Erfahrung, dass eine Arbeit im Netz und vor allem die Installation einer Homepage alles eher als einfach ist. Zumindest ungleich schwerer, als die spätere Nutzung.
Als nächstes wurden Texte am PC erstellt, die teilweise im Internet recherchiert worden waren. Mittels Mikrofon wurden erzählende Geschichten aufgenommen und ausstehende Fotos im Heim gemacht. Im letzten Workshop wurden dann gemeinsam mit dem bildenden Künstler Michael Mittermeier Piktogramme für Linkbuttons der Homepage erstellt. Vor allem Kreativität und sauberes Arbeiten waren in dieser Phase gefragt. In derselben Woche fertigten die Kinder im bildnerischen Unterricht eigene Entwürfe für zwei Werbeplakate "Sommer und Winter im Montafon" an.
Die englische Übersetzung der Texte konnte leider nur in einem geringen Maße von den Schülern selbst übernommen werden. Fachausdrücke und teils anspruchsvolle Texte erschwerten es den SchülerInnen ganz erheblich, brauchbare Übersetzungen abzuliefern. Auch in dieser Phase zeigte sich, dass Hauptschüler bei einem derart anspruchsvollen Projekt in Teilbereichen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten - und wohl auch Belastbarkeit - stoßen mussten. Immerhin haben mindestens 60% der Projektarbeit von den Schülern ihre persönliche Freizeit beansprucht.
Foto Preisverleihung (Michael Franz vom Ministerium, Nina Gassner, Alissa Bitschnau, Alexander Sturn und Helmut Schlatter), Montafoner Heimatmuseum
All diese Erschwernisse konnten die Gruppe der Schihauptschule jedoch nicht daran hindern, ein ganz erstaunliches Produkt zu kreieren, das nun seit etlichen Monaten auch im Netz steht und auf interessierte Besucher wartet. Auftakt zur Online-Stellung war eine offizielle Prämierung der Homepage in Wien. Dort kürte eine Expertenjury diese Homepage österreichweit zur zweitbesten im Jahr 2009. (Siehe Foto)
Und den Abschluss hat dieses bemerkenswerte Projekt dort gefunden, wo seine Geburtsstunde war: Im Montafoner Heimatmuseum. Die Projektgruppe selbst installierte im Foyer eine Projektstation und erläuterte in einer abendlichen Präsentation die Projektgeschichte. Eine Geschichte von Sich Sammeln.