Informationsportal "Zwangsarbeit im NS-Staat"

Karsten Kühnel, Bundesarchiv

Das Informationsportal "Zwangsarbeit im NS-Staat" wird vom Bundesarchiv in Zusammenarbeit mit zahlreichen archivischen Einrichtungen im In- und Ausland inhaltlich bearbeitet und technisch umgesetzt. Dieses Projekt wird von der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" finanziert und richtet sich an die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen und ihre Angehörigen, an die historisch interessierte Öffentlichkeit sowie an die wissenschaftliche und heimatkundliche Forschung.

In einem von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" finanzierten Projekt erarbeitet das Bundesarchiv derzeit das Informationsportal "Zwangsarbeit im NS-Staat". Über www.zwangsarbeit.eu erhält der Nutzer Informationen über themenbezogene Archivbestände und Literatur, ferner Basisinformationen über die Geschichte des „Ausländereinsatzes" im „Dritten Reich" und über die Geschichte der „Entschädigung" der Opfer bis zum Abschluss des Zahlungsprogramms der Stiftung EVZ im Sommer 2007. Schließlich verweist eine große Anzahl von Links auf weitere Internetangebote zum Thema. (Abbildung: Transport von Zwangsarbeiter(innen) aus der Sowjetunion, Juni 1942, Quelle: Bundesarchiv)

Den Kern des Portals bildet eine Übersicht über Archivbestände und Sammlungen in deutschen und ausländischen Einrichtungen, die Informationen über den Einsatz von zivilen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen aus allen Teilen Europas in Deutschland oder in den von der Wehrmacht oder ihren Verbündeten besetzten Gebieten enthalten. Anders als im mehrjährigen Projekt von über 300 deutschen und polnischen Archiven zur Nachweisbeschaffung für ehemalige Zwangsarbeiter sind für das jetzt zu erstellende Inventar nicht allein die personenbezogenen Bestände von Interesse, sondern noch mehr das sachbezogene Schriftgut. Darin können z. B. die Organisation des Arbeitseinsatzes vor Ort, der Bau von Arbeiterunterkünften, Fragen der Ernährung und medizinischen Versorgung, Fälle von „Rassenschande" oder auch die Versorgung der von Ausländerinnen entbundenen Kinder behandelt sein. Unterlagen hierzu finden sich außer in den Behördenbeständen der öffentlichen Archive vor allem in Hinterlassenschaften ehemaliger Firmen, aber auch in persönlichen Nachlässen Beteiligter und Betroffener. Die Materialsammlungen zu einschlägigen Ausstellungen, die es in den vergangenen Jahren in Deutschland in größerer Zahl gab, einschließlich angelegter Zeitzeugendokumentationen, ergänzen die historischen Bestände mit wertvollen Informationen.

Screenshot der Homepage Zwangsarbeit im NS-Staat (Abbildung: Bundesarchiv)

Eine mit Recherchefunktionen ausgestattete Übersicht in- und ausländischer Einrichtungen mit ihren zum Thema NS-Zwangsarbeit einschlägigen Beständen existierte bislang nicht, wenn man von dem im Jahr 2000 vom Bundesverband „Information & Beratung für NS-Verfolgte" herausgegebenen und 2001 ins Internet gestellten „Verzeichnis der Nachweise für NS-Zwangsarbeiter(innen) bei Archiven und anderen Institutionen in Deutschland" absieht, das aber ausschließlich auf personenbezogene Bestände abzielte. Informationen über vorhandene Sachaktenbestände, Nachlässe usw. konnten bisher nur in Fußnoten diverser Sammelbände und Monographien oder über ergänzende Erschließungsvermerke in Findbüchern fleißiger Archivare ermittelt werden. Die in den letzten Jahren von mehreren Häusern veröffentlichten Spezialinventare waren für die historische Forschung bereits eine große Bereicherung. Im Informationsportal des Bundesarchivs zur Zwangsarbeit im NS-Staat sollen die Bestandskenntnisse der einzelnen Häuser zusammenfließen und für eine Gesamtschau der existierenden Bestände verfügbar gemacht werden. Dabei ist das Bundesarchiv auf die Mitarbeit der Archive, Gedenkstätten und Museen angewiesen. Von etwa 300 direkt kontaktierten Einrichtungen haben sich bislang über 60 am Projekt beteiligt und Bestandsinformationen hinterlegt. Bei den erforderlichen Daten handelt es sich vor allem um eine überblicksartige Beschreibung des Gesamtbestands und um eine Listung der einzelnen Teilbestände. Weitere Angaben können von den Institutionen ergänzt werden.

Bei den meisten Einrichtungen, die sich am Projekt beteiligen, handelt es sich freilich um Archive. Gefolgt werden sie aber von Museen und Gedenkstätten. Gerade in Museen befinden sich mitunter Sammlungen, die ebenso gut in Archiven hätten entstehen können. Aber auch typische museale "3D-Sammlungen", etwa textiler Ausländerabzeichen, sind für das Portal von Interesse. Zu nennen sind beispielsweise ostdeutsche Betriebsarchive, die dem Zugriff der staatlichen Archivverwaltung der DDR bis zur Wende entgangen sind und anschließend von engagierten Personen vor der Vernichtung gerettet wurden. So konnte das Heimatmuseum Berlin-Köpenick auf diese Weise eine Kartei des AEG-Transformatorenwerks Oberspree einschließlich zahlreicher Werksausweise ehemaliger Zwangsarbeiter bergen. Ferner gehören hierher Firmenarchive, die weniger zufällig in Museen gelangten, wie z. B. das AEG-Archiv im Deutschen Technik-Museum in Berlin. Ein Beispiel für interessante Nachlässe bietet der Bestand "Ernst Heinkel", der Nachlass des Leiters der Ernst Heinkel AG, der sich im Deutschen Museum in München befindet. Im Portal bereits vertretene Museen und museumsnahe Einrichtungen sind das Deutsche Historische Museum in Berlin, das Archiv des Bergbau-Museums Bochum und die Sammlungen der Daimler AG in Stuttgart. Sicher gibt es zahlreiche weitere interessante Bestände auch in der reichen regionalen und lokalen Museumslandschaft.

Dieser Artikel erschien im Bulletin des Deutschen Museumsbund.
Kühnel, K. (2008). „Museen und Zwangsarbeit". In M. Eissenhauer (Hrsg). Bulletin - Deutscher Museumsbund e.V., Ausgabe 3/08, S. 14-16, Kassel.